Das Baurecht

Gesetzesänderung in NRW: Errichtung von Kleinwindanlagen bis 10 m Höhe ohne Baugenehmigung möglich

23. Dezember 2011

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Baurecht für Kleinwindanlagen

Durch eine Novellierung der Landesbauordnung in NRW vom 21.12.2011 werden Kleinwindenergieanlagen bis 10 m Höhe von der Genehmigungspflicht ausgenommen.  Diese neue Regel gilt allerdings nicht für Anlagen in reinen, allgemeinen und besonderen Wohngebieten, als auch Mischgebieten. Die Höhe bezieht sich auf die Anlagen-Gesamthöhe, diese schließt den Rotor mit ein.

Vorgeschichte dieser Gesetzesänderung ist der im Juli 2011 vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW initiierte Windenergieerlass. Die Nutzung der Windenergie soll im bevölkerungsreichsten Bundesland bis zum Jahr 2020 stark ausgebaut werden. Die Ziele sollen nicht nur durch die neue Installation von Großturbinen erreicht werden. Der Windenergieerlass beschreibt auch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kleinwindanlagen in NRW.

In NRW ist durch die Gesetzesänderung eine Genehmigungsfreistellung für Kleinwindanlagen bis 10 m Höhe in Kraft getreten, bei der eine Anzeigepflicht gegenüber der zuständigen Baubehörde besteht. In anderen Bundesländern wird eine Verfahrensfreistellung praktiziert, die von der Anzeigepflicht ausgenommen ist.

Betreiber einer Kleinwindanlage müssen auch bei einer Genehmigungsfreistellung alle relevanten baurechtlichen Vorschriften beachten. Das gilt beispielsweise für die Anforderungen an die Standsicherheit und das Abstandsflächenrecht, als auch für sicherheitsrelevante Aspekte und den Denkmalschutz.

Rechtsgrundlagen für die Genehmigung von Kleinwindkraftanlagen

Eine einheitliche Regelung auf Bundesebene für die Genehmigung von Kleinwindanlagen besteht nicht. Juristisch gesehen sind Kleinwindanlagen nicht höher als 50 Meter und fallen nicht wie große Windkraftanlagen unter das Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Das Genehmigungsverfahren wird durch das jeweilige Landesrecht geregelt, vor allem das Landesbauordnungsrecht ist zu beachten.

Generell gilt, dass die Genehmigungslage für die Errichtung von Kleinwindanlagen in Wohngebieten schwieriger ist als in Gewerbegebieten, Mischgebieten oder im ländlichen Raum. Kleinwindanlagen auf mobilen Objekten wie Segelschiffen oder Wohnmobilen benötigen keine Genehmigung.

Kleinwindanlagen über 10 Meter Höhe sind in allen Bundesländern genehmigungspflichtig. Für Kleinstanlagen unter 10 m Höhe gibt es in manchen Ländern Ausnahmen.

Keine Genehmigungspflicht für Kleinwindräder bis 10 m Höhe

Eine zentrale Fragestellung ist die, ob eine Baugenehmigung generell benötigt wird, oder aufgrund spezieller Regelungen der Landesbauordnung darauf verzichtet werden kann. In den vergangenen Jahren sind immer mehr Bundesländer dazu übergegangen, kleine Windkraftanlagen bis 10 Meter Höhe auch ohne Genehmigung zuzulassen.

Vorteil für den Betreiber:
Er spart sich das Genehmigungsverfahren, welches Zeit und Kosten beansprucht.

Nachteil für den Betreiber:
Der Betreiber hat keine Rechtssicherheit für den dauerhaften Betrieb des Windrads. Das garantiert nur eine Baugenehmigung. Wenn sich beispielsweise ein neuer Nachbar von der Anlage gestört fühlt, kann von der Baubehörde ein Rückbau des Kleinwindrads verlangt werden.

Es gibt zwei Formen der Freistellung von der Genehmigung:
a) Verfahrensfreistellung:
Das Kleinwindrad kann ohne die Benachrichtigung des Bauamts aufgestellt werden.
b) Genehmigungsfreistellung:
Die Baubehörde muss über die beachsichtige Installation der Kleinwindanlage informiert werden.

 

 

Erlass für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen und Hinweise für
die Zielsetzung und Anwendung
(Windenergie-Erlass)
vom 11.07.2011
Gemeinsamer Runderlass
des Ministeriums für Klimaschutz,
Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz
des Landes Nordrhein - Westfalen
(Az. VIII2 - Winderlass)
und
des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr
des Landes Nordrhein-Westfalen
(Az. X A 1 – 901.3/202)
und
der Staatskanzlei
des Landes Nordrhein-Westfalen
(Az. III B 4 – 30.55.03.01)

 

5.2.2 Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich nach den §§ 29 bis 35
BauGB. Über das Vorhaben ist gemäß § 36 Abs. 1 BauGB im Einvernehmen
mit der Gemeinde zu entscheiden. Ein erneutes Ersuchen um Erteilung des
gemeindlichen Einvernehmens kann bei Änderung der Ausgangssituation
erforderlich werden (bejaht bei einer erheblichen Standortabweichung – s.
OVG NRW, Urt. v. 18.08.2009 - 8 A 613/08 -). Auf mögliche Amtshaftungsansprüche
gegen die Genehmigungsbehörde, die ein rechtswidrig versagtes
Einvernehmen nicht ersetzt, wird hingewiesen (s. auch BGH, Urt. v.
16.09.2010 - III ZR 29/10 -).
Für die Zulässigkeit von Windenergieanlagen im Außenbereich gelten
folgende Regelungen:
5.2.2.1 Allgemeine Voraussetzungen
Im Außenbereich sind Windenergieanlagen als untergeordnete Anlagen zu
privilegierten Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 BauGB (s. Nr. 5.2.2.2) oder als
selbstständige Anlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zulässig, wenn
öffentliche Belange nicht entgegenstehen und eine ausreichende Erschließung
gesichert ist. Das Grundstück muss eine ausreichende Zufahrtsmöglichkeit
aufweisen, die die Wartung der Windenergieanlagen zulässt. Der
Anschluss einer Windenergieanlage an ein Verbundnetz zum Zwecke der
Stromeinspeisung gehört nicht zum bauplanungsrechtlichen Inhalt der
Erschließung (BVerwG, Beschl. v. 05.01.1996 - 4 B 306.95 -).
Soweit durch Darstellungen im Flächennutzungsplan (s. Nr. 4.3.1) oder als
Ziele der Raumordnung (s. Nr. 3.2.2) eine Ausweisung für die Windenergienutzung
an anderer Stelle erfolgt ist, sind Windenergieanlagen – ausgenommen
die Anlagen, die gem. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert sind – außerhalb
dieser Flächen in der Regel nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht zulässig.
Ausnahmen von der Ausschlusswirkung durch die Darstellung im Flächennutzungsplan
sind im Einvernehmen mit der Gemeinde möglich, wenn
Umstände vorliegen, die bei der Festlegung der Konzentrationszone nicht
berücksichtigt wurden, oder wenn solche Umstände wegen der notwendigerweise
nur groben Betrachtung der Bereiche in der Flächennutzungsplanung
nicht greifen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 30.11.2001 - 7 A 4857/00 -; BVerwG, Urt.
v. 17.12.2002 - 4 C 15.01 -; OVG Lüneburg, Urt. v. 15.05.2009 - 12 LC 55/07 -
). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten
eines Ausnahmefalles umso geringer ist, je detaillierter eine Gemeinde die
Kriterien im Rahmen der Abwägung geprüft und zugrunde gelegt hat. Während
der Gesetzgeber mit dem Tatbestandsmerkmal "entgegenstehen" die
besondere Bedeutung der Privilegierung hervorhebt, die tendenziell zugunsten
des Vorhabens zu Buche schlägt, bringt er mit der Regel-Ausnahme-
Formel in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zum Ausdruck, dass außerhalb der
Konzentrationsflächen dem Freihalteinteresse grundsätzlich der Vorrang
gebührt. Diese Wertung darf nicht im Zulassungsverfahren konterkariert
werden. Eine Abweichung im Einzelfall ist zwar möglich, sie steht aber unter
dem Vorbehalt, dass die Konzeption, die der Planung zugrunde liegt, als
solche nicht in Frage gestellt wird (BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 – 4 C 15/01 -;
OVG NRW, Urt. v. 15.03.2006 - 8 A 2672/03 -).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann die Atypik sich daraus ergeben,
dass eine Windenergieanlage wegen ihrer Größe oder wegen ihrer Funktion
z.B. als einem anderen privilegierten Vorhaben zugeordnete Nebenanlage
besondere Merkmale aufweist, die sie aus dem Kreis der Anlagen heraushebt,
deren Zulassung die Gemeinde hat steuern wollen (beispielsweise bei Anlagen,
die nicht der Einspeisung in das öffentliche Netz, sondern nur der Eigenversorgung
dienen).
Ist in der Nähe des vorgesehenen Standorts bereits eine zulässigerweise
errichtete Windenergieanlage vorhanden, so kann dies bei der Interessenbewertung
ebenfalls zum Vorteil des Antragstellers ausschlagen. Auch die kleinräumlichen
Verhältnisse können es rechtfertigen, von der auf den gesamten
Planungsraum bezogenen Beurteilung des Planungsträgers abzuweichen. Ist
aufgrund topographischer oder sonstiger Besonderheiten eine Beeinträchtigung
der als störempfindlich und schutzwürdig eingestuften Funktionen des
betreffenden Landschaftsraums nicht zu besorgen, so widerspricht es der Zielrichtung
des Planvorbehalts nicht, das Vorhaben zuzulassen (s. OVG NRW,
Urt. v. 15.03.2006 - 8 A 2672/03 -)
Innerhalb einer im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszone
dürfen die Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB, die bereits im Rahmen der
Planung abgewogen worden sind, bei der Entscheidung über die Zulassung
einer Windenergieanlage nicht wieder als Genehmigungshindernis aktiviert
werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.05.2010 - 4 C 7/09 -).
5.2.2.2 Untergeordnete Nebenanlage
Eine Windenergieanlage kann im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 BauGB als
unselbstständiger Teil eines seinerseits privilegierten Betriebes genehmigungsfähig
sein. Voraussetzung ist, dass die Windenergieanlage dem Betrieb
räumlich und funktional unmittelbar zu- und untergeordnet ist. Ob das Vorhaben
im Verhältnis zu dem privilegiert zulässigen Betrieb bodenrechtlich eine
"Nebensache" ist, sich ihm dienend unterordnet, gegenüber der Hauptnutzung
im Hintergrund steht, ist nicht aufgrund einer typisierenden, sondern einer
konkreten Betrachtungsweise des privilegierten Betriebes und der ihm zugeordneten
Nebennutzung zu beurteilen (BVerwG, Beschl. v. 28.08.1998 – 4 B
66/98 -). Die Windenergieanlage muss sich in angemessener räumlicher Nähe
zu dem mit Energie versorgten Betrieb befinden. Nach der Zweckbestimmung
muss der überwiegende Teil der erzeugten Energie dem privilegierten Vorhaben
zugute kommen.
Für Windenergieanlagen, die als untergeordnete Nebenanlage nach § 35 Abs.
1 Nr. 1 BauGB privilegiert sind, gilt § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht (BVerwG,
Beschl. v. 04.11.2008 - 4 B 44.08 -).
Eine Windenergieanlage kann im Einzelfall als untergeordnete Nebenanlage
mehreren im Außenbereich zulässigerweise errichteten Betrieben dienen,
wenn der überwiegende Teil der erzeugten Energie diesen Betrieben insgesamt
zukommt. Die funktionelle Zuordnung ist ggf. durch eine Nebenbestimmung
zur Genehmigung auf Dauer sicherzustellen. Die Zuordnung einer
Anlage zu mehreren Betrieben ist immer erfüllt, wenn
- die Betreiber der Windenergieanlage gesellschaftsrechtlich verbunden
sind und
- die Betreiber der Windenergieanlage nachweisen, dass der Stromverbrauch
in ihren Betrieben zusammengenommen höher als 50 % der
voraussichtlichen jährlichen Erzeugungsleistung der Windenergieanlage ist
und
- die Windenergieanlage sich in angemessener räumlicher Nähe zu den
mit Energie versorgten Betrieben befindet.
5.2.2.3 Entgegenstehen öffentlicher Belange (§ 35 Absatz 3 BauGB)
Innerhalb einer im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszone
dürfen die Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB, die bereits im Rahmen der
Planung abgewogen worden sind, bei der Entscheidung über die Zulassung
einer Windenergieanlage nicht wieder als Genehmigungshindernis aktiviert
werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.05.2010 - 4 C 7/09 -). Es ist dabei davon auszugehen,
dass im Rahmen der Darstellung von Konzentrationszonen sämtliche,
mit der Windenergienutzung konkurrierende Belange bei der Flächennutzungsplanung
abschließend mit abgewogen worden sind, weil die Konzentrationswirkung
nur eintritt, wenn sichergestellt ist, dass sich die Windenergienutzung
innerhalb der eigens für sie dargestellten Zone durchsetzt (BVerwG,
Urt. v. 17.12.2002 – 4 C 15/01 -). Entgegenstehende Belange werden deswegen
für Windenergieanlagen in Konzentrationszonen nur relevant, sofern sie
auf Ebene der Bauleitplanung noch nicht berücksichtigt werden konnten.
- Die Darstellung „Fläche für die Landwirtschaft“ löst in der Regel keinen
Widerspruch zu der Errichtung einer Windenergieanlage i. S. v. § 35 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 BauGB aus.
- Der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
BauGB) ist in § 3 BImSchG definiert. Die Abschattungswirkung für Funkwellen
stellt keine schädliche Umwelteinwirkung i. S. d. § 35 Abs. 3 Satz 1
Nr. 3 BauGB i.V.m. §§ 3 Abs. 1 und 2 sowie 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar
(OVG NRW, Urt. v. 18.08.2009 - 8 A 613/08 -). Auf Nr. 5.2.1 (Lärm,
Schattenwurf) wird verwiesen.
- Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege i. S. d. § 35 Abs. 3
Satz 1 Nr. 5 BauGB stehen einem Vorhaben insbesondere dann entgegen,
wenn dieses in nicht durch Ausnahmegenehmigung oder Befreiung zu
behebender Weise in Widerspruch zu einer gültigen Landschaftsschutzverordnung
steht (OVG NRW, Urt. v. 05.09.2006 - 8 A 1971/04 -; ständige
Rechtsprechung BVerwG, Beschl. v. 02.02.2000 - 4 B 104/99 -). Auf Nr.
8.2.1.5 (Landschaftsschutzgebiete) wird verwiesen.
- Die technische Neuartigkeit einer Anlage und die dadurch bedingte optische
Gewöhnungsbedürftigkeit sind allein nicht geeignet, das Orts- oder
Landschaftsbild zu beeinträchtigen. Eine Verunstaltung lässt sich auch
nicht damit begründen, dass Windenergieanlagen angesichts ihrer Größe
markant in Erscheinung treten (OVG Lüneburg, Urt. v. 28.02.2010 - 12 LB
243/07 -).
- Außerhalb von förmlich unter Natur- oder Landschaftsschutz gestellten
Landschaftsteilen begründet eine Beeinträchtigung des Orts- oder Landschaftsbildes
allein noch nicht die Unzulässigkeit eines solchen Vorhabens.
Vielmehr muss eine qualifizierte Beeinträchtigung im Sinne einer
Verunstaltung des Orts- oder Landschaftsbildes gegeben sein. Eine solche
Verunstaltung liegt nur vor, wenn das Vorhaben seiner Umgebung grob
unangemessen ist und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen
Betrachter als belastend empfunden wird (OVG NRW, Urt. v. 12.06.2001 -
10 A 97/99 -; best. durch BVerwG, Beschl. v. 15.10.2001 - 4 B 69/01 -).
Eine Verunstaltung der Landschaft kann weder aus der technischen Neuartigkeit
und der dadurch bedingten optischen Gewöhnungsbedürftigkeit
der Windenergieanlagen noch allein aus deren angesichts ihrer Größe
markanten und weit sichtbaren Erscheinung abgeleitet werden (OVG
NRW, Urt. v. 28.02.2008 -10 A 1060/06; s. auch BVerwG, Beschl. v.
18.03.2003 – 4 B 7/03).
- Auch wenn bestimmte Landschaftsteile, die sich in einem
Landschaftsschutzgebiet befinden, durch eine Windenergieanlage, die
außerhalb dieses Gebiets errichtet werden soll, optisch beeinflusst werden,
liegt eine Beeinträchtigung eines öffentlichen Belangs nur vor, wenn dies
zu einer Verunstaltung des Landschaftsbildes i. S. v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr.
5 BauGB führt (BVerwG, Beschl. v. 08.05.2008 - 4 B 28/08 -).
Nach der Rechtsprechung des OVG NRW (Urt. v. 18.11.2002 - 7 A
2140/00 -) darf bei der rechtlichen Wertung der Wirkungen von Windenergieanlagen
nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Gesetzgeber sie im
Außenbereich grundsätzlich - d.h. vorbehaltlich einer planerischen Steuerung
durch Raumordnungspläne und gemeindliche Flächennutzungspläne
- privilegiert hat, so dass die Anlagen als solche nach den gesetzgeberischen
Vorgaben im Außenbereich nicht als Fremdkörper, sondern von
ihrem Erscheinungsbild her vielmehr eher als außenbereichstypisch und
nicht wesensfremd zu werten sind (s. auch OVG NRW, Urt. v. 19.05.2004
– 7 A 3368/02 -; OVG NRW, Urt. v. 24.6.2004 – 7 A 997/03 -). Gleichwohl
dürfen bei der wertenden Einschätzung des Störpotentials die
anlagentypischen Drehbewegungen der Rotorblätter als Blickfang trotz
gegebener Privilegierung nicht außer Betracht gelassen werden (BVerwG,
Beschl. v. 15.10.2001 – 4 B 69/01 -). Für die Annahme, ob eine Verunstaltung
des Orts- oder Landschaftsbildes vorliegt, ist die jeweilige durch
die Standortwahl vorgegebene Situation maßgeblich. Ob eine Landschaft
durch technische Einrichtungen und Bauten bereits so vorbelastet ist, dass
eine Windenergieanlage sie nicht mehr verunstalten kann, ist eine Frage
des jeweiligen Einzelfalls. In welcher Entfernung eine Windenergieanlage
nicht mehr verunstaltend wirken kann, lässt sich ebenfalls nicht abstrakt
festlegen (BVerwG, Beschl. v. 18.03.2003 – 4 B 7/03).
- Der Belang des Habitat und Artenschutzes ist als Unterfall des Naturschutzes
zu berücksichtigen. Zu den Belangen im Einzelnen wird auf Nr. 8.1.4
und Nr. 8.2.1.3 verwiesen.
- Zu den Belangen des Denkmalschutzes wird auf Nr. 8.2.3 verwiesen.
- Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange kann auch bei einer Gefährdung
der Wasserwirtschaft und des Hochwasserschutzes gegeben sein.
Gegebenenfalls bedarf die Anlagenerrichtung neben der immissionsschutzrechtlichen
Genehmigung eine entsprechende wasserrechtliche
Genehmigung oder Befreiung.
- Eine Störung der Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen
(§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB) oder der ungeschriebene Belang der
Landesverteidigung können der Zulässigkeit einer Windenergieanlage
entgegenstehen. Dies setzt voraus, dass die Windenergieanlage die
Funktion der Radaranlage für den ihr zugewiesenen Zweck in nicht hinzunehmender
Weise einschränkt. Eine konkrete Gefahr für die Sicherheit des
Luftverkehrs ist Voraussetzung. Erforderlich ist daher, dass in dem zu
beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit einem
Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann (VG
Aachen, Urt. v. 15.07.2008 - 6 K 1367/07-). In diesem Zusammenhang
wird auf §§ 18a und 18b LuftVG verwiesen. Die entsprechende Darlegungslast
liegt bei der zuständigen Luftfahrtbehörde. Gleiches gilt auch für
die Wehrbereichsverwaltung bei der Geltendmachung von Belangen der
Landesverteidigung (vgl. zuletzt OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.04.2011 - 12
ME 8/11 -).
Der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB normierte öffentliche Belang soll nur
dann die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit eines Vorhabens begründen,
wenn es um die Abwehr von Gefahren geht, deren Gewicht den im
Gesetzgebungsverfahren in den Blick genommenen öffentlichen Belangen
- hier: militärische Belange sowie Flugsicherheit - vergleichbar ist. Kein Teil
der Windenergieanlage darf die (vorhandene) Richtfunkstrecke unterbrechen.
Allerdings werden Beeinträchtigungen des Rundfunkempfangs vom
Schutzbereich des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB nicht erfasst (OVG
NRW, Urt. v. 18.08.2009 - 8 A 613/08 -).
Sollte in Zukunft bei der Umrüstung der militärischen Radaranlagen auf
den Radartyp ASR-S die Ergänzung des Systems ASR-ES vorgenommen
werden, so ist insbesondere ergänzend durch dem Stand der Technik entsprechende
Materialien und Bauweisen von Rotorblättern eine größere
Radarverträglichkeit auch bei großen Windenergieanlagen zu erreichen.
Bis zur technischen Lösung der Problematik empfiehlt es sich, in
Konfliktfällen die Expertengruppe „Bundeswehr und Windenergieanlagen“
(ExpBw WEA), Unterarbeitsgruppe der Bundeswehr (UAG) beim Luftwaffenamt,
Abteilung Flugbetrieb der Bundeswehr, Luftwaffenkaserne Wahl,
501/11, Postfach 906110, 51127 Köln zu konsultieren.
- Auch das Gebot der Rücksichtnahme ist in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB
verankert. Der im Außenbereich Wohnende muss grundsätzlich mit der Errichtung
von in diesem Bereich privilegierten Windenergieanlagen und
ihren optischen Auswirkungen rechnen (OVG NRW, Beschl. v. 12.01.2006
- 8 A 2285/03 -).
Auf Abwehrrechte kann sich nur derjenige berufen, dessen eigene Nutzung
formell und materiell legal ist, wobei die Beweislast für die formelle Legalität
den Bauherrn trifft (OVG NRW, Beschl. v. 24.06.2010 - 8 A 2764/09 -;
best. durch BVerwG, Beschl. v. 23.12.2010 - 4 B 36/10 -). Ob von einer
Windenergieanlage eine rücksichtslose optisch bedrängende Wirkung auf
eine Wohnbebauung ausgeht, ist stets anhand aller Umstände des
Einzelfalls zu prüfen. Das OVG NRW (s. Urt. v. 09.08.2006 – 8 A 3726/05-)
hat folgende Bewertungskriterien zur Beeinträchtigung entwickelt:
Lage bestimmter Räumlichkeiten und deren Fenster sowie von Terrassen
und Ähnlichem zur Windenergieanlage; bestehende oder in zumutbarer
Weise herstellbare Abschirmung des Wohngrundstücks zur Anlage;
Hauptwindrichtung und damit Stellung des Rotors zu einem Wohnhaus;
topographische Situation; Sichtschutz durch Waldgebiete oder Gebäude;
die Größe des Rotordurchmessers, weitere Beeinträchtigungen durch
bereits vorhandene Windenergieanlagen.
Nach der Rechtsprechung des OVG NRW lassen sich unter Berücksichtigung
dieser Kriterien für die Ergebnisse der Einzelfallprüfungen grobe
Anhaltswerte prognostizieren:
Ist der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windenergieanlage
geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die
Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden
Wirkung der Anlage gelangen. Beträgt der Abstand das Zwei- bis
Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders
intensiven Prüfung des Einzelfalls. Diese vom OVG NRW aufgestellten
Regeln sind Faustformeln, die eine bestimmte Würdigung der
Umstände nahe legen, aber die Prüfung des konkreten Einzelfalls nicht
entbehrlich machen (s. auch BVerwG, Beschl. v. 23.12.2010 - 4 B 36/10 -).
Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ist die größtmögliche
Minimierung der Befeuerung, insbesondere durch die Nutzung von
Sichtweitenmessgeräten und Synchronisierung der Befeuerung, als Auflage
dem Projektierer aufzugeben.
Aus dem Rücksichtnahmegebot kann sich auch das Erfordernis von
Abständen von Windenergieanlagen untereinander ergeben. Um den wirtschaftlichen
Betrieb einer Anlage auf Dauer zu gewährleisten, wird eine
zivilrechtliche Vereinbarung mit den Eigentümern der in Hauptwindrichtung
gelegenen Grundstücke empfohlen, da das Rücksichtnahmegebot insoweit
nicht schützt (OVG NRW, Beschl. v. 01.02.2000 - 10 B 1831/99 -). In
diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass auch aus Gründen
der Standsicherheit Abstände erforderlich sind (s. Nr. 5.2.3.4).

 

 

6 Kleinwindanlagen
6.1 Verfahren
Unter Kleinwindanlagen werden Anlagen unterhalb einer Anlagengesamthöhe
von 50 m Höhe verstanden, die entsprechend der Regelungen der 4.
BImSchV nicht unter die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht
fallen.
Kleinwindanlagen gelten als bauliche Anlagen i. S. d. § 29 BauGB und des § 2
BauO NRW. Nach § 63 Abs. 1 BauO NRW ist daher auch für Windenergieanlagen
bis 50 m Gesamthöhe, die entweder neben oder auf einem
Gebäude errichtet werden sollen, ein Baugenehmigungsverfahren durchzuführen.
Neben der Baugenehmigung sind ggf. weitere Genehmigungen/Erlaubnisse
einzuholen. Die Bauaufsichtsbehörden haben im Genehmigungsverfahren
weitere Fachbehörden (wie beispielsweise die Unteren Immissionsschutzbehörden/
Landschaftsbehörden) zu beteiligen.
6.2 Zulässigkeit
6.2.1 Immissionsschutzrechtliche Voraussetzungen
Für Kleinwindanlagen gilt infolge von § 22 BImSchG, dass sie die gebietsbezogenen
Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 TA Lärm und sonstige immissionsschutzrechtliche
Anforderungen einhalten müssen. Werden Kleinwindanlagen
an Gebäuden befestigt, sind aufgrund der baulichen Verbundenheit auch die
Immissionsrichtwerte für Innen nach Nr. 6.2 TA Lärm zu berücksichtigen,
sofern im Gebäude nicht nur der Anlagenbetreiber wohnt.
Aufgrund der sehr unterschiedlichen Höhen und Leistungsklassen der Kleinwindanlagen
und der unterschiedlich geprägten Standorte, an denen Kleinwindanlagen
verwirklicht werden sollen, lassen sich jedoch allgemeine
Empfehlungen kaum aussprechen.
Insbesondere bei Anlagen im Innenbereich sind im baurechtlichen Genehmigungsverfahren
aussagekräftige Unterlagen vorzulegen, die eine Prüfung der
immissionsschutzrechtlichen Zulässigkeit des Betriebs ermöglichen (z.B. gesicherte
Datenblätter, in denen unabhängige Institute das Geräuschverhalten
der Anlage in allen regulären Betriebszuständen mindestens bis zum Erreichen
der Nennleistung belegen).
6.2.2 Bauplanungsrechtliche Voraussetzungen
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich nach den §§ 29 bis 36
BauGB.
Im beplanten und unbeplanten Innenbereich können Kleinwindanlagen grundsätzlich
als untergeordnete Nebenanlagen gemäß § 14 BauNVO in allen Baugebieten
zulässig sein. Voraussetzung ist, dass sie dem primären Nutzungszweck
von Grundstücken dienen. Kleinwindanlagen dienen nur solange dem
primären Nutzungszweck von Grundstücken (funktionale Unterordnung), wie
sie überwiegend (> 50 %) für das jeweilige Grundstück selbst Energie erzeugen,
nicht aber, wenn die erzeugte Energie überwiegend in das öffentliche
Netz eingespeist wird. Darüber hinaus müssen sie der Hauptnutzung räumlich-
gegenständlich untergeordnet sein. Die räumliche Unterordnung ist zwar
nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn die Anlage über die Firsthöhe der
übergeordneten baulichen Anlage um etliche Meter hinausragt. Aufgrund des
äußeren Erscheinungsbildes und wegen ihrer Abmessungen darf die Nebenanlage
aber der Hauptanlage nicht gleichwertig erscheinen oder diese optisch
verdrängen. Eine Kleinwindanlage kann im Hinblick auf ihr geringes bauliches
Volumen in der optischen Wirkung derart zurücktreten, dass sie gegenüber
einem Gebäude, dessen Energieversorgung sie dient, auch räumlich-gegenständlich
als untergeordnet erscheint.
Im Außenbereich können Kleinwindanlagen als untergeordnete Nebenanlagen
zu privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB zulässig sein. Für Anlagen,
die von einem privilegierten landwirtschaftlichen Betrieb nach § 35 Abs. 1
Nr. 1 BauGB mitgezogen werden, gilt § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB unabhängig
von der Höhe der Windenergieanlage nicht (BVerwG, Beschl. v. 04.11.2008 –
4 B 44.08 - ).
Sofern sie nicht als untergeordnete Nebenanlagen zulässig sind, sind Kleinwindanlagen
als selbstständige Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zu
beurteilen. Aufgrund ihrer geringen Höhe handelt es sich nicht um raumbedeutsame
Anlagen. Sie werden deshalb von der raumordnerischen Steuerung
der Anlagenerrichtung nicht erfasst.
Hat eine Gemeinde von dem Institut der bauleitplanerischen Steuerung
Gebrauch gemacht und Konzentrationszonen ausgewiesen, muss im Einzelfall
geprüft werden, ob eine Ausnahme von der Ausschlusswirkung (§ 35 Abs. 3
Satz 3 BauGB) möglich ist.
Die Atypik kann sich daraus ergeben, dass eine Windenergieanlage wegen
ihrer Größe oder wegen ihrer Funktion z.B. als einem anderen privilegierten
Vorhaben zugeordnete Nebenanlage besondere Merkmale aufweist, die sie
aus dem Kreis der Anlagen heraushebt, deren Zulassung die Gemeinde hat
steuern wollen (beispielsweise bei Anlagen, die nicht der Einspeisung in das
öffentliche Netz, sondern nur der Eigenversorgung dienen). Ist in der Nähe
des vorgesehenen Standorts bereits eine zulässigerweise errichtete
(Klein)Windenergieanlage vorhanden, so kann dies bei der Interessenbewertung
ebenfalls zum Vorteil des Antragstellers ausschlagen. Auch die kleinräumlichen
Verhältnisse können es rechtfertigen, von der auf den gesamten
Planungsraum bezogenen Beurteilung des Planungsträgers abzuweichen. Ist
aufgrund topographischer oder sonstiger Besonderheiten eine Beeinträchtigung
der als störempfindlich und schutzwürdig eingestuften Funktionen des
betreffenden Landschaftsraums nicht zu besorgen, so widerspricht es der Zielrichtung
des Planvorbehalts nicht, das Vorhaben zuzulassen (s. OVG NRW,
Urt. v. 15.03.2006 - 8 A 2672/03 -).
Im Übrigen wird auf die grundsätzlichen Ausführungen in Nr. 5.2.2 verwiesen.
6.2.3 Bauordnungsrechtliche Voraussetzungen
Zu den bauordnungsrechtlichen Anforderungen wird auf Nr. 5.2.3 verwiesen